Uta Spräner, Bündnis 90/Die Grünen
( es gilt das gesprochene Wort )
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Liebe Zuhörende,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Interessierte Presse!
In keinem Jahr habe ich mich mit der Haushaltsrede so schwergetan wie in diesem. Was kann ich, zu diesem Haushaltsentwurf sagen?
Überall mehr Ausgaben und weniger Einnahmen. Nun, am Ende, nur noch 500.000,- entfernt von der Haushaltssicherung. Der Wegfall von 760.000,- Euro Gewerbesteuer tut verdammt weh. Und wir müssen darauf reagieren. Ein „weiter so“ ist nicht mehr möglich.
Dieses Damoklesschwert bedeutet zweierlei: Weniger Beinfreiheit und die Notwendigkeit Maßnahmen verbindlich und transparent zu priorisieren.
Die Zeit der großen Geschenke für wenige Profiteure, die ist in jedem Fall vorbei.
Jetzt gilt es den richtigen Weg zu finden, sprich die wenigen Mittel so einzusetzen, dass möglichst viele Menschen hier vor Ort, davon profitieren.
Laotse sagt: Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg
Die gute Nachricht: Wir haben bereits für fast alle Bereiche unseres Handelns gemeinsam definierte Ziele,- festgeschrieben in den verschiedensten Konzepten unserer Gemeinde. Richtschnur und Kompass zugleich. Was wir nun tun müssen, ist:
- Sicherstellen, dass alle Akteure diese gemeinsamen Ziele vor Augen haben.
- Entscheiden, ob der vorgelegte Haushaltsentwurf auf diese Ziele einzahlt.
Bevor wir das tun, kurz zur Haushaltssituation.
Was wir heute vorliegen haben, ist nicht die Konsequenz aus Minus 760.000,- Euro und es ist auch nicht allein die Konsequenz aus steigenden Umlagen und Sozialausgaben. Das hören wir jedes Jahr.
Nur durch die Landschaftsumlage fließen 17,6 Mio. Euro über die Caritas und die Kinderheilstätte zurück nach Nordkirchen. Damit gehören wir hier zu den Spitzenprofiteuren.
Die Kreisumlage wir in jedem Jahr mit den BürgermeisterInnen des Kreises abgesprochen und in einem „letter of intent“ festgeschrieben, den auch in diesem Jahr, alle BürgermeisterInnen, ohne Ausnahme, unterschrieben haben.
Auf die Aufzählung von Schlüsselzuweisungen, Fördersummen für Baumaßnahmen, Mobilität oder soziale Projekte von Bund und Land verzichte ich an dieser Stelle.
Was wir hier vorliegen haben, ist das Ergebnis der letzten Jahre, und damit auch das Ergebnis von Entscheidungen, die dieser Rat getroffen hat, und von Verhandlungen, die der Bürgermeister geführt hat. Das gehört zur Wahrheit dazu.
Dazu gehören teure Prestigeprojekte, hohe Kostensteigerungen und Planüberschreitungen ebenso, wie für uns nachteilige Verträge und Fehlentscheidungen zur Rettung erfolgloser VertragspartnerInnen.
Eine Fehlentscheidung konnte in jüngster Vergangenheit abgewendet werden. Sie können es sich denken,- Ich spreche von der Fast-Ansiedelung der RCS-Gruppe in Nordkirchen, die auch durch die großartige Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verhindert werden konnte.
Fehlenden politischen Zusammenhalt, Herr Bürgermeister, können wir da nicht erkennen. Die Mehrheit des Rates hat eine Entscheidung getroffen, die sich nicht mit Ihren Vorstellungen gedeckt hat.
Das muss man in einer Demokratie aushalten.
Wir sind weiterhin fest davon überzeugt, dass das der richtige Weg für Nordkirchen und seine zukünftige Entwicklung war.
Denn unsere Potentiale liegen woanders.
Unsere heterogene Unternehmerschaft hat uns gut durch die Coronakrise gebracht und bedeutet für uns neben einem vielfältigen Angebot für ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen vor allem eins:
Eine breite Risikostreuung.
Von meiner Oma habe ich gelernt: Leg nicht alle Eier in einen Korb.
Denn was passiert, wenn ein solcher Korb runterfällt, müssen wir gerade schmerzlich erleben, und sehen bestätigt, was wir als Grüne Fraktion schon seit langem vertreten.
Nur eine breite und vielseitige Einnahmenseite verhindert Abhängigkeit und sichert uns eine stabile Haushaltsplanung.
Ein Minus von 760.000, – Euro, von heute auf morgen, und das auf Dauer kann eine Kommune wie die unsere on Top nur schwer verkraften.
Und hier die nächste gute Nachricht: Hoffnung machen unsere ansässigen Unternehmen: Aktuell haben wir mehr Anfragen nach Gewerbegrundstücken als Angebote. Es scheint also, als gehe es trotz des vermeintlichen Imageschadens durch die Ablehnung der RCS-Gruppe gut weiter mit der Entwicklung unserer Gemeinde. Und das hat unsere volle Unterstützung.
Unser Ziel ist es diese breite Unternehmerschaft zu stärken. Deshalb werden wir weiterhin den Weg einer angemessenen Entwicklung unter Berücksichtigung unserer wirtschaftsstrukturellen, aber eben auch unserer landschaftlichen Strukturen mit ihren wertvollen Natur- und Erholungsräumen gehen. Denn auch diese stellen ein enormes Potential für uns dar. Und das ist die nächste gute Nachricht:
Die TouristInnen lieben unsere Region,- sie sind begeistert von den Landschaften, den Gärten und Parks. Hier wollen und können sie Natur erleben. Das bestätigt uns schwarz auf weiß die aktuelle Evaluation des Münsterland e.V.
Das ist ein Pfund mit dem wir wuchern müssen.
Der Tourismus kann ein wichtiges, zweites Standbein für unsere Gemeinde sein, wenn wir es richtig angehen.
In einer Fußnote auf Seite 138 des Haushaltplanes erfahren wir, dass die Gemeinde ihr Profil mit verschiedenen Veranstaltungen schärfen möchte.
Gute Ideen? Keine Ahnung! Denn fehlende Kennzahlen und Zielformulierungen mit den dazugehörigen Zielerreichungsquoten lässt unser Haushalt leider vermissen.
Aber ohne Wissen um den sogenannten „Return of Investment“ können wir nicht beurteilen, ob sich die Maßnahmen am Ende für die Gemeinde auszahlen und ob sie für die Menschen, hier vor Ort, von finanziellem Nutzen sind.
Ein Fakt, den wir für die zukünftigen Haushalte unbedingt ändern müssen. Denn mit diesem Format lässt sich kein Haushalt analysieren, geschweige denn steuern.
Denn es sind doch die Auswirkungen auf unseren Haushalt und auf die Menschen vor Ort, die unsere Entscheidungen prägen sollten.
Ich wiederhole mich gerne wenn ich auch an dieser Stelle sage: Jetzt gilt es die wenigen Mittel so einzusetzen, dass möglichst viele Menschen in Nordkirchen, Südkirchen und Capelle davon profitieren.
Ja, wie und ob das funktioniert ist nicht immer direkt zu erkennen.
Es gibt Maßnahmen die brauchen Zeit um zu wirken.
Anders die Maßnahmen im ÖPNV. Hier können wir anhand von Fahrzeiten, Fahrzeugzahlen und Fahrgast- oder Stehengebliebenzahlen genau sehen, ob unsre Maßnahmen greifen und wo noch Handlungsbedarf besteht. Ein Ergebnis von 163 stehen gelassenen Personen am Bahnhof in acht Wochen kann und darf uns dabei nicht zufrieden stellen.
Die gute Nachricht ist, dass dieses von uns mehrfach angesprochene Problem nun mit der Ausschreibung des neuen Linienbündels behoben wird.
Deshalb möchten wir uns auch an dieser Stelle nochmal bei Ihnen Herr Bürgermeister dafür bedanken, dass unsere Hinweise in die neuen Verhandlungen und dann auch Ausschreibungen mit aufgenommen worden sind. Das wird auch den Gästen zugutekommen, die den Luftkurort Nordkirchen besuchen wollen. Die Chancen, so konnte man es noch letzte Woche im WDR hören, stehen ja gut. Das sind schon wieder gute Nachrichten und ein weiteres Potential. Jetzt ist es wichtig klug auf dieses Ziel einzuzahlen.
So möchte, wer in einen Luftkurort kommt, sich draußen bewegen. Dazu braucht es ausreichend Angebote für alle Alters- und Fitnessklassen. Unsere Münsterländer Landschaft und der Schlosspark sind zum Spazierengehen, Wandern und Radfahren wunderbar geeignet. Kinder und Jugendliche wünschen sich da aber doch eher actionreichere Angebote.
Mit der Aufwertung einzelner Spielplätze zu Mehrgenerationenplätzen und der neuen Calisthenics Anlage sind wir gute Schritte gegangen, die auf unsere Ziele einzahlen.
Wichtig ist, dass wir auf diesem Weg jetzt nicht stehen bleiben.
Dass dieser Haushalt die Einnahmen, aus dem Verkauf des Spielplatzes Große Feld, nun nicht wie abgesprochen zweckgebunden investiert, halten wir, auch in der jetzigen Haushaltslage für falsch.
Die Grüne Fraktion hat das Ziel unseres Spielplatzkonzeptes nicht aus den Augen verloren. Und wir bitten heute alle anderen Fraktionen, dieses Ziel bei der nächsten Haushaltsberatung auch wieder in ihren Blick zu nehmen.
Für diese Beratungen freuen wir uns, dass unser Einsatz für die Skateranlage und das Basketballfeld erfolgreich war und wir nun mit der Dirt bike Strecke, hier gemeinsam, ein gutes Paket mit zukünftigen Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche schnüren konnten.
Frei zugängliche Bewegungsplätze sind auch ein starker Baustein im Konzept einer familienfreundlichen Gemeinde.
Ein Konzept dessen Ziele neben dem gewählten „Weg zur inklusiven Gemeinde“ wichtig sind für die Lebensqualität aller Menschen, die hier wohnen, arbeiten, einkaufen oder ihre Freizeit verbringen.
Ziele, die als Querschnittsaufgabe alle Themenfelder berühren und deren Wirkung weit über heute und den 14.09. hinaus von Bedeutung sind.
Zu diesen weitreichenden Zielen gehört der Schutzunserer Natur und der Schutz der Menschen vor den Folgen des Klimawandels.
Klimawandel und Artensterben warten nicht, bis sich die Gemeindefinanzen oder die Weltpolitik wieder sortiert haben. Deshalb werden auch die Ziele unseres Klimaschutzkonzeptes weiterhin Grundlage für jede unserer Entscheidung sein und oberste Priorität haben.
Die Prioritätenliste: Da haben wir also nun:
„Familienfreundliche Gemeinde, „Inklusive Gemeinde“ das Klimaschutzkonzept und Spielplatzkonzept, Außerdem gibt es das Sportstättenkonzept das „Integriertes Stadtentwicklungskonzept“ ISEK und das „ Dorfinnenentwicklungskonzept“ DIEK.
Die meisten davon gute Konzepte die langfristig klaren Ziele vorgeben,-
über die Wege entscheiden wir immer wieder neu. So auch heute.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Welche Wege wir gehen, hängt dabei von den finanziellen Mitteln ab. Wer weiß das besser als wir. Besonders in diesem Jahr.
Ja, die Gewerbesteuer sinkt aber die Einkommensteuer steigt und fällt mit einem Ansatz 7,44 Mio. Euro erneut höher aus als die Gewerbesteuer. Damit ist sie unsere größte und vor allem auch verlässlichste Einnahmequelle.
Im Bereich des durchschnittlich verfügbaren Einkommens je EinwohnerIn liegen wir auf dem stolzen Platz 53 von 396 Gemeinden in NRW.
Es könnte schlechter sein – Potential ist da und lässt für die Zukunft hoffen.
Und Hoffnung ist ein guter Übergang zum Schluss meiner Rede.
Denn ich war am Sonntag, so wie viele von uns in diesem Raum, als Wahlhelferin im Einsatz. Und es hat mich zutiefst erschrocken zu sehen, wie der Stapel der AfD immer weitergewachsen ist. Nie war unsere Demokratie in größerer Gefahr. Jetzt gilt es als demokratische Parteien zusammenzuhalten, und gemeinsam und mit Zuversicht in die Zukunft zu schauen.
Ich habe heute über gemeinsame Ziele gesprochen. Und ich habe aufgezeigt wo die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Potentiale für unseren Ort sieht.
Mit den Zielen als Richtschnur, einer transparenten und verbindlichen Priorisierung von Maßnahmen und einer engen Kontrolle der Ausgaben können wir daraus was Gutes machen.
Sehr geehrter Herr Bergmann,
Dieser Haushaltsentwurf hat viele Runden gedreht in unseren Beratungen.
Er hat und lässt nur wenig Spielraum.
Die Entscheidungen, die dazu geführt haben, sind vergossene Milch, denn sie waren Entscheidungen der letzten Haushaltsjahre. Jahre, in denen wir den Haushalten oft nicht zugestimmt haben. Jetzt ist es wie es ist und wir werden nach vorne schauen.
Dennoch konnten wir an einigen Stellen die Weichen für die nächsten Jahre stellen. Es gibt Situationen, da geht mehr nicht.
Für die Beratungen und die geleistete Arbeit bedanken wir uns bei allen Beteiligten und stimmen heute – am Ende des Tages – dem Haushalt 2025 zu.
Uta Spräner Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Gemeinde Nordkirchen